Gestern Abend fand die Geschäftsführer-Late-Night von Matthias Aumann in Cloppenburg statt. Ein Event, auf das ich mit Spannung gewartet hatte. Ich muss zugeben, ich erwartete etwas zwischen „Komm-in-meine-Gruppe“, „Schacka“ und „Kaffeefahrt“ – eine Veranstaltung mit zotigen Sprüchen, deren Ziel es ist, aus den Teilnehmern potenzielle Kunden zu machen. Überraschenderweise hielt man sich damit vornehm zurück, und vom Empfang bis zur Verabschiedung war es ein angenehmer Abend.
Auf Einladung von Marc Gobetto nahm ich an dieser Veranstaltung teil, um einen Einblick in die aktuelle Diskussion rund um Künstliche Intelligenz (KI) und deren Einsatzmöglichkeiten in Unternehmen zu erhalten. Matthias Aumann betreut mit MISSION MITTELSTAND nach eigenen Angaben mehrere tausend Kunden und hat diese gemeinsam mit seinem Team aus den analogen 1990er Jahren in die digitale Neuzeit transformiert.
Das Setup vor Ort? Grandios! Ein Late-Night-Studio in TV-Studio-Qualität – nein, besser. Die Zuschauer wurden, wie bei Fernsehproduktionen, zunächst angeheizt und anschließend in das Format integriert. Aus der Sicht eines Creators lief das ganz hervorragend ab.
Vorher gab es hervorragendes Essen aus dem Restaurant „Hinterm Horizont“ – und dort geht es sicherlich weiter. Wir wollten den Horizont erweitern, und da ich mich bereits seit mehreren Jahren mit KI beschäftige, beschränke ich mich nicht nur auf ChatGPT und Co. Ich würde mich jedoch nicht zu den acht Millionen KI-Experten und Prompt-Engineers zählen, sondern sehe mich weiterhin als jemanden, der das Thema aufmerksam verfolgt und versucht, bei den Entwicklungen mitzuhalten.
Die Veranstaltung versprach einen unterhaltsamen Abend und einen Überblick darüber, was KI heutzutage leisten kann. Für Einsteiger war es sicherlich eine gelungene Einführung, doch kratzte die Präsentation für meinen Geschmack zu sehr an der Oberfläche. Das erwartete Highlight war ein unterhaltsamer Gastredner, Dr. Eldar Sultanow, der mit Fachkenntnissen beeindruckte und anschließend einige seiner Bücher mit dem Titel „Sie werden mit dem nächsten freien Chatbot verbunden“ verteilte. Ich erlaubte mir später die Rückfrage, wie viel KI in dem Buch steckt, und er sagte mir, dass er es selbst geschrieben habe. Dr. Eldar Sultanow zeigte eindrucksvolle Entwicklungen in KI und Robotik, von der Erstellung von Produktfotos über Marketing-Videos bis hin zu Deepfakes und Robotern, die bald KI-gesteuert den Malermeister ersetzen könnten.
Allerdings blieben – und so ehrlich möchte ich sein – konkrete Best-Practice-Tipps aus, die die rund 120 Teilnehmer vor Ort und die geschätzten 450 bis 550 Zuschauer im Livestream hätten umsetzen können. Es hieß nur unisono: Nicht vor der KI verschließen, heute noch ChatGPT herunterladen, ausprobieren und spielen. Weitere Ideen waren TYPE AI, Next Gen, MidJourney und Co.
Bei einer teilweise fingierten „Straßenumfrage“ versuchte man im Stil von ehemaligen TV Total-Formaten, den aktuellen Wissensstand über KI aufzuzeigen. Auffällig war ein sehr gut informierter „Bürger“ – auffällig deshalb, weil ich sein Foto bei den Mitarbeitern von Matthias Aumann fand. Hier hätte mehr Transparenz sicherlich gutgetan. Und wenn man über KI spricht, hätte man auch die legendäre TV Total-Off-Stimme von Manfred „Mannix“ Winkens klonen können, das hätte sicherlich den Aha-Effekt noch einmal erhöht. Technisch wäre dies, da man das Thema Urheberrecht sowieso komplett ausgeklammert hatte, ohne Weiteres in wenigen Minuten möglich gewesen.
Ein interessanter Vergleich des Abends war die Metapher des Pyramidenbaus: Ohne KI bauen wir noch immer Pyramiden in Ägypten, mit den gleichen Zeit- und Personalaufwänden wie vor Tausenden von Jahren. Doch mit KI geht es schneller, und das Ergebnis ist besser. Dies verdeutlicht die transformative Kraft, die KI auf Arbeitsprozesse haben kann. Leider blieben wichtige Themen wie Urheberrechtsverletzungen unerwähnt, obwohl beispielsweise KI-gestützte Neugestaltungen von Liedtexten gezeigt und abgespielt wurden. Bei der ganzen Zeitersparnis ging man auch nur oberflächlich auf die Kosten ein, denn bei der Vielzahl genutzter Tools kann es durch monatliche Zahlungen, ähnlich wie bei Spotify, Netflix, Amazon Prime und WOW, schnell ins Geld gehen. Doch wann kommt der Return on Investment, und wie zahlt er sich aus? Wie misst man demnächst den Erfolg eines Produkts, das nur wenige Sekunden Arbeitszeit verschlungen hat? Wieviel ist ein Text noch wert, wenn man diese sowieso schon in Text-Schmieden für 2-3 Cent pro Wort kaufen kann? Natürlich optimiert für die Suchmaschine und gespickt mit dem Wissen der Welt oder was man bei Google darüber halt so findet und dafür hält.
Ein weiterer Tipp von Matthias Aumann war die Erstellung einer eigenen Academy für das Mitarbeiter-Onboarding, natürlich unterstützt durch KI. Diese soll in mehreren Sprachen zugänglich sein und aus gewöhnlichen Mitarbeitern Fach-Experten machen. Der Ansatz ist spannend: Videos könnten nun von Sachbearbeitern erstellt werden, da man durch Hey-Gen auf professionelle Videographen, Texter und Cutter verzichten könne. Fun Fact: Er hatte zwei Kameramänner, eine Social-Media-Filmerin, einen Mitarbeiter in der Regie und einen weiteren Moderator vor Ort – ganz ohne Menschen geht es natürlich auch in der Zukunft nicht. Wir wurden auch von ganz gewöhnlichen Menschen begrüßt und hatten die Gelegenheit, mit ganz normalen Menschen zu sprechen. Mein Highlight war der Geschäftsführer einer Toilettenvermietfirma – die machen sprichwörtlich aus Sch**** Geld, und selbst da könnte die KI Einzug nehmen. Klingt schon irgendwie abartig komisch, oder?
Auch die nächsten Social-Media-Reels entstehen durch die KI, die selbstständig die besten Ausschnitte aus bestehenden Videos für die jeweiligen Kanäle auswählt. Das bedeutet, dass nicht der Mensch entscheidet, was der Empfänger sehen soll, sondern die KI wählt aus, was für die jeweilige Social-Media-Plattform am besten geeignet ist, um eine möglichst hohe Reichweite zu erzielen.
Allerdings stellt sich die Frage: Wo bleibt die oft zitierte Echtheit, die Realness, die Authentizität von Menschen und Unternehmen in dieser virtuellen, künstlich verbesserten Welt? Die zunehmende Abhängigkeit von KI könnte das Persönliche und Individuelle, das ein Unternehmen ausmacht, gefährden. Unternehmen müssen sorgfältig abwägen, wie viel KI sie integrieren, um ihre Authentizität nicht zu verlieren. Wenn wir dann demnächst nur noch virtuelle Models sehen, virtuelle Produkte kaufen und künstlich generierte Texte lesen, stellen wir uns sicherlich die Frage: Wo bleibt der Mensch? Erstellen wir demnächst nur noch Inhalte, die durch eine KI gelesen, interpretiert und weiterverwendet werden? Wenn Kommentare von der KI beantwortet werden, wenn man demnächst nur noch mit der KI kommuniziert und mit Hologrammen redet, holen wir uns dann nicht das nächste Problem ins Haus? Vereinsamen wir durch KI? Es gibt inzwischen die ersten Autohersteller, die in China „Hologramme“ ins Auto bringen, sprechende Bots, die mit den Fahrern kommunizieren und die rein virtuell, versteht sich, an die individuellen Vorlieben angepasst werden können. Wir leben in verrückten Zeiten!
Noch einmal: Die Idee von Videos für Mitarbeiter in der jeweiligen Landessprache finde ich großartig. Allerdings sehe ich keine KI-generierten Videos als Aushängeschild für das jeweilige Unternehmen bei der Ansprache der Kunden, denn genauso real und echt wie die Kunden sollten auch die Unternehmen diese ansprechen.
Trotz dieser kritischen Punkte bot die Veranstaltung einen interessanten Einblick in die Möglichkeiten, die KI bietet. Vom Prompting bis zur Erstellung von Social-Media-Inhalten, von Herausforderungen zu Verbesserungen, und wie schnell das alles funktioniert, sorgte bei vielen Besuchern für staunende Gesichter. Doch wie bei vielen Technologiethemen bleibt die Herausforderung bestehen, die Balance zwischen Innovation und Authentizität zu finden. Ich fand es sehr begrüßenswert, dass wir nach dem Applaudieren, Jubeln und Lachen ganz normal wieder nach Hause gefahren sind, sicherlich auch mit dem Einsatz einer KI im Fahrzeug oder Smartphone.
Vielen Dank, Marc, für die Einladung, ein Dank an Matthias und sein Team für den tollen Abend und die positiv aufgefallene Zurückhaltung im Verkauf der eigenen Produkte, und an Dr. Eldar Sultanow, dessen Buch ich morgen Abend einmal in Ruhe lesen werde.